Einige kontrovers diskutierte Rezensionen haben in jüngerer Vergangenheit die Frage aufgeworfen, was Besprechungen leisten können, sollen und dürfen. Diese Frage ausführlich zu diskutieren, war Anliegen der von Prof. Dr. Christian von Coelln und Prof. Dr. Stephan Rixen veranstalteten Tagung zum Thema „Rezensionen in der Wissenschaft: Machtmissbrauch oder Qualitätsgarantie?“, die am 05.05.2023 an der Universität zu Köln stattfand. Zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieser gut besuchten Veranstaltung zählten Professoren sowie wissenschaftliche und studentische Mitarbeiter verschiedener deutscher (insbesondere, aber nicht nur rechtswissenschaftlicher) Fakultäten sowie Journalisten.
Prof. Dr. Klaus Ferdinand Gärditz machte in seinem Vortrag deutlich, dass die Rezension selbst der Wissenschaftsfreiheit unterfällt, wenn sie dem Gebot der Wissenschaftlichkeit genügt. Von Rezensionen zu unterscheiden seien dabei kurze Besprechungen, die eher eine Werbemaßnahme für das besprochene Werk bildeten. „Befangenheit“ des Rezensenten im eigentlichen Sinne existiere nicht. Gegenstand des Vortrags und der sich anschließenden Diskussion bildeten zudem unter anderem die Fragen, ob das Verhältnis des Rezensenten zum Rezensierten in einer Fußnote offengelegt werden sollte und welchen Nutzen dies hätte, inwiefern ein Erwiderungsrecht des Rezensierten besteht, welche (Kontroll-)Pflichten die Herausgeber von Zeitschriften treffen und ob bestimmte Qualifikationsanforderungen an den Rezensenten zu stellen sind.
Anschließend widmete sich Prof. Dr. David Kaldewey aus soziologischer Perspektive der Frage, ob Rezensionen als blinder Fleck der Wissenschaftsforschung gelten müssen. Dabei ging er unter anderem auf die Bedeutung ein, die Rezensionen in verschiedenen Disziplinen zukommt oder gerade nicht zukommt. Des Weiteren stellte er das Problem dar, dass Rezensionen innerhalb des wissenschaftlichen Werks des Rezensenten eher als „second class“-Publikationen wahrgenommen würden, was zu einer geringen Bereitschaft führe, diese überhaupt und zusätzlich noch mit Sorgfalt abzufassen.
Im zweiten Teil der Veranstaltung beleuchteten Prof. Dr. Armin von Weschpfennig und Prof. Dr. Margrit Seckelmann Rezensionen unter verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkten. Weschpfennig ging dabei insbesondere darauf ein, inwiefern Berufungskommissionen auch oder gar ausschließlich Rezensionen über die Werke des Bewerbers zur Beurteilung der wissenschaftlichen Qualität dieser Werke heranziehen dürfen. Darüber hinaus widmete er sich der Frage, inwieweit Rezensionen einen Bestandteil des wissenschaftlichen Oeuvres des Rezensenten bilden. Seckelmann behandelte die Frage, ob Universitäten Qualitätsstandards für Rezensionen festlegen dürfen, insbesondere, um von ihr so bezeichnete „Übertötungen“ zu verhindern.
Abschließend argumentierten Prof. Dr. Margarete Schuler-Harms und Prof. Dr. Julian Krüper, warum verletzende bzw. umgekehrt gerade schonende Kritik der Wissenschaft schadet, wobei diese Referate im Einzelnen sehr differenziert ausfielen. Eingegangen wurde unter anderem auf die Aspekte, dass bereits das Format der Rezension als solches den Rezensenten über den Rezensierten stelle und vor allem der Zufall darüber entscheide, ob und wer über welches Werk eine Rezension schreibt. Des Weiteren wurde der Frage nachgegangen, ob und inwieweit das rezensierte Werk vom rezensierten Autor zu trennen und inwiefern somit Sachlichkeit möglich ist.
Das ausführliche Tagungsprogramm finden Sie unter https://wissrecht.uni-koeln.de/aktuelles#c82427.
Bericht von PD Dr. Silvia Pernice-Warnke, LL.M., Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wissenschaftsrecht und Medienrecht (Prof. Dr. Christian von Coelln)