Das Siegel der Rechtswissenschaftlichen Fakultät*
Über die Entstehung des Siegels fehlt es an urkundlichen Quellen. Der Stempel befindet sich im British-Museum zu London, der älteste bekannte Abdruck mit den übrigen Fakultätssiegeln an der Urkunde vom 24. Dezember 1425. Wie der Stempel nach London gelangt ist, konnte nicht bestimmt ermittelt werden. Es wird vermutet, daß er bei einer Kunstversteigerung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts für das B. M. angekauft worden ist. Das Siegel wird 1393 schon vorhanden gewesen sein, da bei den Statuten der med. Fakultät v. 24. März 1393 (im Düsseldorfer Staatsarchiv) außer dem großen Univ.-Siegel auch 4 Fakultätssiegel angehängt waren, denn diese Urkunde zeigt 5 Siegelseinschnitte. Die Statuten der jur. Fakultät, die nur in Kopien erhältlich sind, ergeben, daß 1398 bei der Bestätigung die Fakultätssiegel angehängt worden sind.
Das Siegel ist technisch und künstlerisch wohl das vollendetste. Es ist ein Rundsiegel von 52 mm Durchmesser. Die Umschrift lautet - durch Rankenwerk unterbrochen - in deutschen Minuskeln:
"Sigillum facultatum utriusq[ue] - iuris studii colonien[sis].
Die Mitte des Siegels ist durch erhöhten Rand und innerhalb dieses durch erhöhten gotischen Vierpaß herausgehoben. Gegenständlich enthält das Siegel eine Darstellung des Unterrichts, eine Lehrszene, indem ein Professor auf einem erhöhten, mit 4 Fialen verzierten gotischen Sessel hinter einem auf einer Säule ruhenden Lesepult sitzt, mit weitem Talar und ohne Biret nach vorn gewendet. Dafür, daß es ein Mönch sei, spricht nichts. Zu seinen Füßen sitzen gegeneinander gerichtet, zwei junge Studenten, die je ein aufgeschlagenes Buch vor sich auf den Knieen liegen haben. Darauf, daß dieser Gegenstand dem Pariser Universitätssiegel entnommen ist, habe ich schon bei der Untersuchung des großen Universitätssiegels hingewiesen und kann hinzufügen, daß das Siegel der Pariser Jurist.- Fakultät dem ebenfalls entsprach. Es zeigt sich im oberen Teil die Jungfrau mit dem Jesuskind in Brustbild, darunter einen Lehrer, der 2 Schüler unterweist. Darum die Umschrift: "...collegii magrorum (in) decretis," auf dem Rücksiegel einen sitzenden Doktor, der in einem auf einem Pult liegenden Buche liest, mit der Umschrift: "Parvum sigillum Facultatis decretorum parisiensis".
Die Lehrszene ist im Ausgange des 14. Jahrhunderts mehrfach zu Siegelzwecken verwendet worden. Ich verweise auf den ältesten Stempel der Universität Wien v. J. 1365, schon gebraucht 1366, der eine ähnliche Lehrszene eines rechtssitzenden Professors mit sieben Studenten enthält, während ein zweiter Stempel v. 1384/95 in dem unteren Teil die Lehrszene zweimal enthält (wie in Paris), auf den Stempel der Phil. Fakultät Wien (aus dem 14. Jahrh.), der ein Colleg mit 9 Hörern, und der Universität Leipzig, der außer der Madonna oben im unteren Teil eine Lehrszene darstellt, auf dem Stempel der Phil. Fakultät (ex parte Reformatorum) von Heidelberg (ein Professor mit 2 unter ihm sitzenden Studenten, die je ein Buch vor sich haben).
Wie sehr die Lehrszene gebräuchlich war, ergibt sich auch aus der Miniatur auf dem Titelblatt der Statuen der theol. Fakultät der alten Kölner Universität in dem Fakultätsbuch, das sich in der Preuß.- Staatsbibliothek in Berlin befindet, deren Zeichnung aber gerade an der Stelle der Szene leider etwas gelitten hat, weil das Buch bei Schwur auf die Satzungen der Fakultät gebraucht wurde und der Schwörende auf diese Stelle die Hand auflegen mußte.
Das Juristensiegel zeigt endlich in den seitlichen Vierpaßräumen zwei Dreieckschilde, in dem rechten 2 gekreuzte Schlüssel, in dem linken den Doppeladler, die Sinnbilder der päpstlichen und kaiserlichen Gewalt, damit die beiden von der Fakultät gelehrten Rechte, das Kanonische und das Zivilrecht, symbolisierend.
Auch diese Darstellung kehrt in der Siegelkunde jener Zeit häufig wieder, so in dem Siegel der jurist. Fakultät von Ingolstadt von 1551, jetzt München, während in dem Siegel der jur. Fakultät von Basel statt der Sinnbilder die Figuren von Papst und Kaiser (mit den Symbolen Schlüssel und Schwert) selbst, in demjenigen von Mainz die Tiara mit den untergelegten gekreuzten Schlüsseln und die kaiserliche Bügelkrone dargestellt sind. Aehnlich in Innsbruck (Oenipontana), allerdings aus späterer Zeit.
Man begegnet auch der Auffassung, daß in dem Kölner Siegel der Professor den hl. Ivo, den Patron der Juristen, vorstellen solle. Ich kann mich dem nicht anschließen, denn einmal fehlt bei dem dargestellten Lehrer der Nimbus, der bei dem Heiligen kaum fehlen würde, sodann hat Ivo zwar in der Jugend die Rechtswissenschaft studiert, ist aber nie Lehrer des Rechts, sondern Sachwalter der Armen und Waisen gewesen und dadurch der Patron der Juristen geworden.
Nach der künstlerischen Seite verdient das Juristensiegel besondere Hochschätzung. Es zeigt eine Feinheit in der Raumverteilung und der Durchführung der Personen, wie sie nächst dem Rektoratssiegel von 1485 weder in Köln noch bei anderen Universitäten wieder beobachtet wird.
*Auszug aus: Die Rektorats- und Fakultätssiegel der alten Universität Köln, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 17 (1935), S. 16 ff., Köln 1935, von Dr. Hubert Graven, weiland Senatspräsident beim Oberlandesgericht Köln und Honorarprofessor an der Universität zu Köln.