Am Montag, den 15. Januar 2024, hieß Prof. Dr. Markus Ogorek, LL.M., Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre, den Botschafter des Staates Israel, S.E. Professor Ron Prosor, zu einer weiteren Veranstaltung im Rahmen der „Kölner Gespräche zu Recht und Staat“ willkommen. Mehr als 300 Studierende, Lehrende und Ehemalige waren unter besonders hohen Sicherheitsvorkehrungen zu dem Gastvortrag mit anschließender Fragerunde in den Hörsaal II des Universitätsgebäudes gekommen; fast doppelt so viele Universitätsangehörige hatten zuvor ihr Interesse an einer Teilnahme bekundet.
„Ich glaube ganz fest daran, dass wir gemeinsam Neutralität durch Pluralität erzeugen werden“, leitete Ogorek ein und betonte, er sei stolz darauf, dass der Rektor trotz diverser Störvorfälle in den Tagen zuvor „kein einziges Mal an der Durchführung der Veranstaltung gezweifelt“ habe. Ihm sei es wichtig gewesen, so der Gastgeber weiter, einen in der Sache durchaus kritischen, im Ton aber stets respektvollen Diskurs zu ermöglichen. Rektor Professor Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Joybrato Mukherjee unterstrich in seinem Grußwort noch einmal, dass Antisemitismus an der Universität zu Köln keinen Platz habe. Dem schloss sich Professor Dr. Bernhard Kempen, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, an, der dem anschließenden Dialog auch dank Völkerrechtsprofessorinnen im Auditorium die notwendige Expertise zuschrieb.
In seinem Auftaktvortrag ging Prosor dann auf die Terrorakte der „Hamas“ ein und betonte, dass Israel „nie wieder so sein wird wie vor dem 7. Oktober“. Die „Hamas“ habe Krankenhäuser, Moscheen und Schulen in „Institutionen des Terrors“ verwandelt, prangerte der Spitzendiplomat an. „Es ist unsere Pflicht und unser Recht, uns zu verteidigen, damit sie nie wieder die Möglichkeit dazu haben", sagte Prosor und erntete dafür großen Applaus des Publikums.
In der anschließenden Fragerunde eröffnete Ogorek damit, ob Israel nicht Gefahr laufe, den Krieg zu gewinnen, aber den Frieden zu verlieren. Prosor betonte, um langfristig Frieden und Sicherheit zu erreichen, brauche es die Zwei-Staaten-Lösung – Voraussetzung dafür sei allerdings eine Demokratie in Gaza, die Israel nicht ständig bedrohe. Als erste Fragestellerin aus dem Auditorium meldete sich Berlins Justizsenatorin Dr. Felor Badenberg zu Wort, die den Botschafter in ihrer Funktion als Lehrbeauftragte des veranstaltenden Instituts für seinen Besuch in Köln gewonnen hatte und als Ehrengast den Dialog bereicherte. Sie bat den Diplomaten um eine Einschätzung politischer Forderungen, die Anerkennung des Existenzrechts Israels zur Bedingung einer Einbürgerung zu machen. Prosor begrüßte das Vorhaben, betonte aber, dass dies seine persönliche Meinung sei.
Anschließend hatten auch die übrigen Anwesenden Gelegenheit, sich mit dem Botschafter auszutauschen. Von einem Studenten auf den tief verwurzelten Antisemitismus in Deutschland angesprochen, betonte Prosor, dass die deutsche Regierung viel gegen Judenfeindlichkeit unternehme. Während man bei rechtem Antisemitismus sofort wisse, womit man es zu tun habe, sei dies bei linker oder muslimischer Judenfeindlichkeit weniger klar. Als Beispiele nannte er antisemitische Darstellungen auf der Kunstausstellung „documenta“ sowie Parolen palästinensischer Gruppen, die Israel das Existenzrecht absprechen.
Eine andere Jurastudentin wollte wissen, wie Prosor die Äußerungen einzelner israelischer Regierungsmitglieder bewerte, die sich für eine Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen ausgesprochen hätten. Die Frage sei berechtigt, meinte der Botschafter nachdenklich, und wich ihr nicht aus. „Letztlich“ komme es auf die Entscheidungen des Kriegskabinetts an, und wie schon bei der gescheiterten Justizreform könnten sich solche Stimmen in der israelischen Regierungspolitik nicht durchsetzen. Angesprochen auf eine mögliche Nachkriegsordnung betonte Prosor, dass der Iran in dieser Hinsicht „der Schlüssel“ sei. Große Sorge bereite ihm diesbezüglich die „Hisbollah“, die den Libanon „als Geisel“ genommen habe und mit ihrem Raketenarsenal viel stärker sei als „Hamas“; in einem destabilisierten Umfeld sei die Schaffung einer effektiven Friedensordnung eine sehr herausfordernde Aufgabe.
Die Legitimität des derzeitigen Vorgehens Israels wurde schließlich von einer Studentin in Frage gestellt. Ogorek leitete die Frage, die den 7. Oktober teilweise relativierte, mit dem Kommentar weiter, dass die Diskussion auch dazu da sei, besonders kritische Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Prosor betonte noch einmal, dass im Gazastreifen „zivile Gebäude in terroristische Einrichtungen umgewandelt“ worden seien. Es gebe vor diesem zutiefst bedauerlichen Hintergrund „keine andere Möglichkeit, wie wir uns gegen eine Terrororganisation verteidigen können, die die eigene Bevölkerung als Schutzschild missbraucht“, sagte der Diplomat ergriffen.
Nach weiteren Fragen, die teils deutlich den Kurs Israels stützten, teils aber auch weitere Kritik am militärischen Handeln im Gazastreifen übten, verabschiedete Gastgeber Ogorek den Botschafter mit einem Weinpräsent. Er dankte ihm sehr herzlich dafür, dass er sich aus einer Vielzahl von Terminanfragen nicht zuletzt aufgrund der Bemühungen Badenbergs für den Kölner Dialog entschieden hatte, sowie für seine bereichernden Antworten. Als der Diplomat den Saal verließ, begleitete ihn ein langanhaltender und kräftiger Applaus.
In Presse und Medien zitierte Teilnehmende betonten später, dass es wichtig gewesen sei, den Dialog mit dem Botschafter gesucht zu haben, und dass nun einige Zusammenhänge viel besser verständlich seien. Der Rabbiner der Kölner Synagogengemeinde resümierte, er „hätte nicht gedacht, dass die Veranstaltung möglich“ werde: „Chapeau vor der Uni Köln“.
Zu weiteren Impressionen, insbesondere zur Aufzeichnung der Veranstaltung gelangen Sie unter https://verwaltungslehre.uni-koeln.de/koelner-gespraeche/ron-prosor. Informationen zur Veranstaltungsreihe finden Sie unter https://verwaltungslehre.uni-koeln.de/koelner-gespraeche.