Am 26. November 2020 fand unter der Leitung von Prof. Dr. Torsten Körber das erste kartellrechtliche Webinar des Lehrstuhls für Kartell- und Regulierungsrecht der Universität zu Köln statt, zu dem sich fast 100 Teilnehmer angemeldet hatten. Thema des Webinars war die Digitalisierung des Kartellrechts durch die 10. GWB-Novelle.
Zu Beginn des Webinars referierte Herr Dr. Käseberg, Leiter des Referats zu Grundsatzfragen der Wettbewerbspolitik des BMWi, zu Hintergrund, Verfahrensstand und dem wesentlichen Inhalt der 10. GWB-Novelle. Mit der Novelle solle insbesondere der zunehmenden Geschwindigkeit, mit der sich die Wirtschaft und Märkte entwickeln, begegnet werden. Den Fokus legte Käseberg in seinem Referat auf die neue Vorschrift des § 19a GWB-RegE. Mit dieser Norm werde ein neues zweistufiges Verwaltungsverfahren eingeführt. Auf der ersten Stufe lege das BKartA den Adressaten der Norm fest. Auf der zweiten Stufe könne das BKartA dann verschiedene Tätigkeiten dieser Unternehmen untersagen. Käseberg betonte, dass es sich hierbei – anders als bei den geplanten Regelungen des Digital Markets Act der EU-Kommission, nicht um eine self-executing Norm handele und auch keine Bußgelder verhängt würden. Im Anschluss stellte Frau Dr. Polley die neuen Regelungen zur Missbrauchsaufsicht aus Unternehmenssicht dar. Kritisch ging sie unter anderem auf die möglichen Normadressaten des § 19a GWB-RegE ein. In § 19a GWB-RegE werde mit der überragenden marktübergreifenden Bedeutung ein neues Konzept der Marktmacht eingeführt. Es herrsche nicht nur bei großen, sondern auch bei kleineren Plattformen große Unsicherheit über die Gruppe der Unternehmen, die als mögliche Adressaten der neuen Regelungen in Frage kommen. Kritisch sah Polley zudem die geplante Beweislastumkehr. Eine Beweislastumkehr sei nur dann angebracht, wenn klar umrissene Tatbestände vorlägen, bei denen ohne jeden Zweifel klar sei, dass sie schädlich für den Wettbewerb seien. Beides sei hier nicht gegeben. Schließlich verwies Polley auf den geplanten Digital Markets Act der EU-Kommission und drohenden Inkongruenzen zwischen diesem und den Regelungen der GWB-Novelle. Insgesamt sei das gesetzgeberische Ziel einer scharfen Missbrauchskontrolle nicht zu kritisieren. Die derzeitige Fassung bedrohe allerdings stark die Rechtssicherheit. Im abschließenden Referat reagierte Frau Hossenfelder, Leiterin der Abteilung „Grundsatzfragen des Kartellrechts“ des BKartA, auf die vorgebrachte Kritik und beleuchtete die GWB-Novelle aus Behördensicht. Hinsichtlich § 19a GWB-RegE unterstrich Hossenfelder, der zweistufige Mechanismus der Norm erlaube es, sehr spezifisch und mit einem wettbewerblichen Maßstab auf akute Probleme einzugehen. Außerdem wies sie darauf hin, dass eine zu starke Konkretisierung der einzelnen Tatbestände des § 19a Abs. 2 GWB-RegE die Rechtsanwender einschränke. Angesichts der schnellen Entwicklung der Wirtschaft bestünde die Gefahr, dass zu konkrete Tatbestände nach kurzer Zeit schon wieder überholt seien.
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses der neuen Missbrauchsaufsicht des GWB zu den geplanten Neuerungen im EU-Recht sowie der geplanten Beweislastumkehr in § 19a GWB-RegE Unklarheiten bestehen. Kritisiert wurde außerdem, dass das Tatbestandsmerkmal der erheblichen bzw. sogar unbilligen Behinderung nicht in alle Tatbestände des § 19a Abs. 2 GWB-RegE aufgenommen wurde.