Am 17. Februar 2021 fand ein telekommunikationsrechtlicher Online-Workshop des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Kartell- und Regulierungsrecht, Recht der digitalen Wirtschaft der Universität zu Köln zum Thema „Kundenschutz und Glasfaserausbau nach der TKG-Novelle 2021 - Das sog. „Nebenkostenprivileg“ in der rechtspolitischen Diskussion“ statt. Im Fokus der Veranstaltung stand das rechtspolitisch heftig umstrittene Vorhaben der Bundesregierung, im Rahmen der anstehenden TKG-Novelle 2021 die Umlagefähigkeit von Breitbandkosten nach § 2 Nr. 15 BetrKV – das sog. „Nebenkostenprivileg“ – abzuschaffen und Mietern eine Kündigungsmöglichkeit für mit einem Mietvertrag verbundene Breitbandverträge (insbesondere Kabelfernsehen) einzuräumen.
Dr. Daniela Brönstrup vom BMWi führte in die Thematik ein, indem sie den Entwurf der Bundesregierung zum Telekommunikationsmodernisierungsgesetz (TKMoG) und seine wesentlichen Ziele erläuterte: Die Förderung des Ausbaus und der Nutzung sog. „Very High Capacity“-Netze („Netze mit sehr hoher Kapazität“, VHC-Netze) sowie die Schaffung und Erhaltung nachhaltigen und wirksamen Wettbewerbs. Nach Darstellung der gegenwärtige Rechtslage zur Umlagefähigkeit von Breitbandkosten, erklärte Brönstrup, dass der Entwurf der Bundesregierung die Streichung der Umlagefähigkeit in der BetrKV mit einer Übergangsfrist von 2 Jahren für laufende Verträge vorsähe. Im Einklang mit den Zielen der Novelle werde stattdessen ein Mitnutzungsentgelt eingeführt, um Anreize für Investitionen in zukunftsfähige Inhouse-Infrastrukturen zu schaffen. Die auf diese Weise entstehende Wahlfreiheit der Mieter ließe mehr Wettbewerb und niedrigere Preise für die Endkunden erwarten.
Im zweiten Impulsvortrag stellte Dr. Bernd Sörries (WIK-Consult GmbH) die TKG-Novelle 2021 in den Kontext aktueller ökonomischer Überlegungen zum Ausbau von Glasfasernetzen in Gebäuden. Er hob zunächst die herausragende Bedeutung von FFTH („Fibre to the Home“) für die Gigabit-Gesellschaft hervor und forderte diesbezüglich mehr Investitionen. Wenngleich der Glasfaserausbau zwar voranschreite, sei das Paradoxon zu beobachten, dass der eigentlich lukrative Anschluss von Mehrfamilienhäusern an leistungsfähigere Netze in urbanen und suburbanen Regionen ausbliebe. Zurückfuhren ließe sich dies u.a. auf die Umlageregelung und die faktische Bindung der Endkunden. Auch Sörries sprach sich deshalb für eine Abschaffung der Umlage aus. Gleichwohl übte er Kritik an dem Entwurf der Bundesregierung aus und bezeichnete die Einführung eines Mitnutzungsentgelts als „Geschäftsmodell ohne erkennbaren Mehrwert“. Stattdessen schlug er eine Refinanzierung der Modernisierungskosten über die Kaltmiete vor.
Es folgten fünf kurze Stellungnahmen aus der Sicht verschiedener Interessenvertreter, beginnend mit Michael Moskob (Media Broadcast GmbH), der sich ebenfalls für die Abschaffung der Umlageregelung einsetzte. Mit einem Wegfall entstehe mehr Wettbewerb und der Verbraucher werde bessergestellt. Dem Amortisationsinteresse des Vermieters könne entsprochen werden, indem Modernisierungsmaßnahmen über die Kaltmiete refinanziert würden. Benjamin Graute von der Deutschen Glasfaser bestätigte das von Herr Dr. Sörries angesprochene Phänomen, dass der Glasfaserausbau in ländlichen Gebieten schneller voranschreite als in urbanen Regionen und forderte deshalb eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen in Glasfaser. Sinnvoller als die gegenwärtige Umlageregelung sei eine Modernisierungspauschale für Inhouse-Infrastrukturen in Verbindung mit Förderprogrammen. Anschließend setzte sich Dr. Claus Wedemeier (GdW) für die Beibehaltung der Umlageoption ein. Diese fördere den Wettbewerb sowie den Glasfaserausbau und stelle für kleinere und mittelständische Unternehmen ein erprobtes und effizientes Investitions- und Finanzierungsmodell dar. Werde in Abstimmung mit dem Deutschen Mieterbund das Instrument der Umlage um ein Opt-Out-Recht ergänzt, sei die Wahlfreiheit der Mieter auch beim Erhalt der Umlageoption gewährleistet. Diesen Ausführungen trat Michael Gundall von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e.V. entschieden entgegen. Indirekte Verträge mit dazwischengeschalteter Person, wie es beim Umlagemodell der Fall sei, brächten erhebliche Nachteile für den Verbraucher mit sich. Auch in Bezug auf ein mögliches Opt-Out-Recht äußerte sich Gundall kritisch, weil es letztlich ein aktives Handeln des Verbrauchers erfordere, um Wahlfreiheit herzustellen. Zuletzt verteidigte Dr. Andrea Huber (ANGA) die Betriebskostenumlage. Diese habe in der Vergangenheit zu einem intensiven Wettbewerb geführt. Angesichts dessen appellierte Huber für eine Nutzbarmachung des Umlageverfahrens für die Zukunft, ggfs. in Kombination mit einem Opt-Out-Recht. Eine Abschaffung berge erhebliche Nachteile für Unternehmen, die bereits investiert hätten. Insbesondere der im Entwurf der Bundesregierung vorgesehene Bestandsschutz von zwei Jahren sei angesichts der langen Amortisationszeiträume zu kurz. Auch in der anschließenden Diskussion wurde von Seiten der Praxis gefordert, im Falle einer Abschaffung des Umlageverfahrens eine längere Überbrückungszeit anzusetzen, um die Refinanzierung bereits getätigter Investitionen zu sichern.
Abschließend fasste Frau Dr. Brönstrup das Meinungsbild zusammen: Trotz der unterschiedlichen Ansätze seien sich alle einig, dass FTTH die Zukunft sei. Eine Neuregelung des Umlageverfahrens müsse sowohl Anreize für neue Investitionen setzen, als auch den Bestandsschutz für bereits getätigte Investitionen hinreichend berücksichtigen.