Wie im vergangenen Jahr sollte die Tagung Schnittmengen zwischen dem Prozessrecht und dem Kartellrecht ausloten und sich mit den in der Praxis aufgetretenen Fragen bei Kartellschadensersatzklagen auseinandersetzen. Mit über hundert Anmeldungen war die Tagung auch in diesem Jahr ein voller Erfolg. Unter den Teilnehmern fand sich eine Mischung von verschiedenen Berufsträgern. Vertreten waren Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus dem Bereich des Kartellrechts, der Prozessführung und dem Schiedsrecht, ferner Vertreter von namhaften Unternehmen und Personen aus der Wissenschaft.
Den Auftakt machte nach der Begrüßung durch Prof. Dr. Christoph Thole der Vortrag von Hans-Joachim Hellmann (Schilling Zutt & Anschütz). Hellmann referierte über die ersten Erfahrungen mit dem Informationsanspruch nach § 33g GWB. Dabei setzte sich Hellmann insbesondere auch kritisch mit der jüngsten Rechtsprechung des OLG Düsseldorf auseinander, die § 33g GWB in intertemporaler Hinsicht eher restriktiv anwendet; eine Frage, die auch in der anschließenden Diskussion für eine lebhafte Kontroverse sorgte.
Im zweiten Referat setzte sich der Ökonom Niels Frank (Lademann & Associates) mit den praktischen Problemen bei ökonomischen Sachverständigengutachten zum Kartellschaden auseinander. Frank zeigte auf, dass häufig die in den Beweisbeschlüssen formulierte Frage nicht vollständig beantwortet werden könne, weil sich die von den Gerichten geforderten gesicherten und eindeutigen Wahrscheinlichkeitsaussagen nicht treffen ließen. Die Aussage, ein Kartellschaden sei mit Wahrscheinlichkeit von x in Höhe von y eingetreten, könne regelmäßig nicht getroffen werden. Die Gerichte müssten sich dieser Unsicherheiten bewusst sein.
Im Folgereferat untersuchte Dr. Stephan Wilske (Gleiss Lutz, Stuttgart) die Anwendung der Instrumente der 9. GWB-Novelle im Schiedsverfahren. Wilske legte dar, welche Vor- und Nachteile eine Streitbeilegung im Schiedsverfahren bei Kartellschäden hat. Wilske wies unter anderem darauf hin, dass auch Fragen des internationalen Privatrechts von Bedeutung sein können, etwa dann, wenn als Schiedsort die Schweiz gewählt wird und es dann aus der Sicht des Schweizerischen Rechts fraglich sein kann, ob die Informationsansprüche nach § 33g GWB prozessual oder materiell zu qualifizieren sind.
Am Nachmittag stellte Prof. Dr. Christoph Thole (Universität zu Köln) die rechtlichen Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts dar und setzte dabei einen Schwerpunkt auf die Anforderungen an den Umgang mit Sachverständigengutachten. Thole untersuchte insbesondere auch die Abgrenzung zwischen § 286 ZPO und § 287 ZPO im Bereich von Kartellschadensersatzprozessen. Er zeigte unter anderem auf, dass der Nachweis des konkreten Haftungsgrundes nach allgemeinen Maßstäben eine Betroffenheit in eigenen Interessen voraussetzt und sich dieses Merkmal im Erfordernis der Kartellbetroffenheit widerspiegelt. In der anschließenden Diskussion ging es unter anderem um die Frage, inwieweit die Anknüpfungstatsachen für eine Schadensschätzung nachgewiesen werden müssen und ob auch insofern Anscheinsbeweise die Beweisführung erleichtern können.
In dem Referat von Prof. Dr. Stefan Thomas (Universität Tübingen) ging es um den Gesamtschuldnerausgleich im Innenverhältnis der Kartellanten. Thomas zeigte die verschiedenen Fallgestaltungen auf und äußerste sich insbesondere kritisch zu den neu eingeführten Kronzeugenregelungen in § 33e GWB. Auch hielt er es für fragwürdig, einen Ausgleichsanspruch in Fällen zu verneinen, in denen der zahlende Gesamtschuldner in einem Umfang gezahlt hat, der unterhalb seiner eigenen Haftungsquote liegt.
Den nächsten Vortrag bestritt Priv.-Doz. Dr. Eckart Bueren (MPI Hamburg/Universität Göttingen). In seinem Vortrag zeigte er auf, dass auch Lieferanten von Preiskartellen aufgrund des durch die gestiegenen Preise entstehenden Nachfragerückgangs durch das Kartell geschädigt sein können. Er untersuchte insbesondere, ob die primär auf Abnehmer abzielenden Regelungen der §§ 33 ff. GWB auch auf Lieferantenschäden passten, und kam insofern zu einer differenzierenden Betrachtung.
Zum Schluss der Tagung wurde die praktische Seite der Prozessfinanzierung beleuchtet. Dr. Bernd Pill (val.ius GmbH/Burford Capital) legte dar, unter welchen Prämissen Prozessfinanzierer eine Finanzierung von Kartellschadensersatzklagen übernehmen, wie sie das Risiko bemessen und in welcher Weise sie auf die Prozessführung Einfluss nehmen. In dem anschließenden Vortrag von Dr. Alex Petrasincu (Hausfeld Rechtsanwälte) wurden dann die rechtlichen Folgefragen bei der Prozessfinanzierung aufgezeigt und unter anderem die bisher ergangene Rechtsprechung zur Höhe von Erfolgsbeteiligungen der Prozessfinanzierer in diesem Bereich untersucht.
Wie die lebhafte Diskussion zeigte, stieß die Tagung auch in diesem Jahr auf eine sehr gute Resonanz. Die Veranstalter planen, auch im nächsten Jahr wieder zu einer weiteren Tagung einzuladen.
Weitere Informationen zur Tagungsreihe finden Sie unter http://www.verfahrensrecht.jura.uni-koeln.de/.