Der versicherungsrechtliche Jour Fixe des Instituts für Versicherungsrecht ist seit Jahren eine feste Institution, bei der zweimal im Jahr zu aktuellen versicherungsrechtlichen Fragestellungen referiert und diskutiert wird. Der zweite und letzte Jour Fixe des Jahres fand am 26. Oktober 2022 bei den Rechtsanwälten Bach, Langheid & Dallmayr in Köln statt. Bei diesem Jour Fixe sprach Prof. Dr. Mark Makowsky, Universität Mannheim, über das hochaktuelle Thema „Das Kriegsrisiko im Privatversicherungsrecht“.
Der Krieg in einem Teil der Welt wirkt sich in vielerlei Hinsicht auf andere Länder und deren Bürger aus. Zum Beispiel könnte ein Investor in Deutschland durch einen Krieg in Afghanistan geschädigt werden. Schließlich hat der Krieg in der Ukraine zu zahlreichen Streitigkeiten im Bereich des Versicherungsrechts geführt, so dass das Thema der Präsentation von aktueller Bedeutung ist.
Die Kriegsgefahr ist eine der ältesten und grundlegendsten Risiken der Versicherungsbranche. In seinem Vortrag gab Herr Professor Makowsky zunächst einen allgemeinen geschichtlichen Überblick über die Kriegsgefahr in Bezug auf See-, Transport-, Feuer- und Lebensversicherungen.
In den meisten Versicherungsbedingungen ist bestimmt, dass der Versicherer keine Deckung für Schäden gewährt, die durch Krieg, kriegsähnliche Ereignisse, Bürgerkrieg, Revolution, Rebellion oder Aufstand verursacht werden. Die Formulierungen sind im Detail unterschiedlich; häufig ist bedungen, dass sowohl direkte als auch indirekte Schäden vom Deckungsschutz ausgenommen sind. Es ist verständlich, dass die Versicherer die Haftung für unkalkulierbare Schäden vermeiden wollen. Allerdings sollten hier Grenzen gezogen werden. Hierzu ging Herr Professor Makowsky auf diese Regelungen und die einschlägigen Gerichtsentscheidungen ein. Der Begriff „Krieg“ fasst teilweise Krieg, Invasion, Bürgerkrieg, Aufstand, Revolution, Rebellion, militärische oder sonstige Machtergreifung zusammen. Eine derart weite Auslegung des Begriffs „Krieg“ und der Ausschluss „indirekter Schäden“ vom Versicherungsschutz können in der Praxis zu Ergebnissen führen, die nicht mit Recht und Billigkeit in Einklang stehen. Nach herrschender Meinung sollte der Begriff des Krieges nicht „völkerrechtlich“, sondern „versicherungsrechtlich“ ausgelegt werden. Darüber hinaus ist es umstritten, ob Cyberkriege als Krieg im eigentlichen Sinne angesehen werden können. Herr Professor Makowsky vermittelte dem Publikum in seinem Vortrag verschiedene Ansichten zu diesem Thema.
Um festzustellen, welche Schäden von der Versicherung nicht zu regulieren sind, muss ein angemessener Kausalzusammenhang zwischen dem Krieg und dem entstandenen Schaden bestehen. Bei dieser Ermittlung sind räumliche, zeitliche und sachliche Auswertungen wichtig.
Im weiteren Verlauf des Vortrags nannte Herr Professor Makowsky praktische Beispiele aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie aus dem russisch-ukrainischen Krieg und machte damit die Situation in der Praxis noch konkreter. Besonders interessant sind aktuell die Beispiele für Schäden infolge des Ukrainekriegs. Bei diesen Beispielen wurde geprüft, ob der Krieg in der Ukraine auch für versicherte Güter in Deutschland eine anormale, unberechenbare und unbeherrschbare Gefahrenlage geschaffen hat. So wird ein Kriegsrisiko anzuerkennen sein, wenn der russische Staat einen Cyberangriff selbst durch eigene Organe (z. B. den Geheimdienst) verübt oder auf andere Weise gefördert hat. Andererseits ist richtig, dass der Ukrainekrieg zu einer Zunahme von antirussischen/anti-ukrainischen Übergriffen und Sachbeschädigungen geführt hat. Solche Schäden stellen keine durch die Kriegsklausel ausgeschlossenen Ereignisse dar, da es sich nicht um eine unvorhersehbare und unkontrollierbare Gefahrensituation handelt.
Zuletzt besprach Prof. Dr. Makowsky die Frage, ob § 23 VVG ein Instrument zur Bewältigung des Kriegsrisikos sei. Die Frage stellt sich nicht (keine Gefahrerhöhung), wenn das Kriegsrisiko ohnehin vom Versicherungsschutz ausgeschlossen ist. Ist das aber Kriegsrisiko ausnahmsweise nicht ausgeschlossen, liegt wohl in der Regel eine „mitversicherte Gefahrerhöhung“ vor (§ 27 VVG). Darüber hinaus gilt § 23 VVG nach herrschender Lehre auch für Gefahrumstände, die für alle Versicherungsnehmer gefahrerhöhend wirken. Allgemeine Veränderungen, die nicht das konkret-individuelle versicherte Risiko erhöhen, wie z. B. kriegsbedingte Inflation, Alterungseffekte, steigende Kriminalitätsraten usw., erfüllen nicht den Tatbestand der Gefahrerhöhung.
An den Vortrag schloss sich eine lebhafte Diskussion mit zahlreichen Fragen aus Wissenschaft und Praxis an.
Der nächste versicherungsrechtliche Jour Fixe findet am 10. Mai 2023 in der Universität zu Köln, Kerpener Straße 30 (Akademie für Europäischen Menschenrechtsschutz) statt. Dann wird Herr Vorsitzender Richter am OLG Köln Dr. Björn Höltje über die aktuelle Rechtsprechung des 20. Zivilsenats des OLG Köln zum Versicherungsrecht berichten. Weitere Informationen unter www.versicherungsrecht.jura.uni-koeln.de.
Bericht von Dr. Sevgican Aydın