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"Adressing the Trauma of Hate Crimes"

Prof. Dr. Avlana K. Eisenberg (USA) stellt Forschung zu Hasskriminalität vor

© Foto: Falk Matthies

Im Oktober besuchte Prof. Dr. Avlana K. Eisenberg, die an der Florida State University aus strafrechtlicher und kriminologischer Perspektive unter anderem zu Hassverbrechen und Strafvollzug forscht, das Institut für ausländisches und internationales Strafrecht. Über diese Forschung berichtete sie zum Abschluss ihres Besuchs unter dem Titel „Addressing the Trauma of Hate Crimes“ am 18.10.2022 im Rahmen der Gesprächsreihe Internationales Strafrecht des Instituts.

Strafen für Hasskriminalität gibt es in den Vereinigten Staaten auf Bundesebene und in den meisten Bundesstaaten. Hasskriminalität bedeutet die Kombination eines Verbrechens, z. B. einer Körperverletzung oder eines Totschlags, mit einem diskriminierenden Motiv, wobei die in den Strafgesetzen normierten diskriminierenden Merkmale – wie Rasse, Behinderung oder Geschlecht – und die Anforderungen daran, wie sich dieses diskriminierende Merkmal ausdrückt – z. B. als Motivation für die Tat oder lediglich durch die Auswahl des Opfers – variieren. Schließlich können Hassverbrechen entweder als gesonderte Delikte oder als Ergänzung zu bereits bestehenden Straftaten bestraft werden.

Diese Regelungsstruktur begründet Zweifel daran, ob die Bestrafung von Hasskriminalität zu mehr Gleichberechtigung und Toleranz in der Gesellschaft führen kann, wie es sich die Befürworter der Regelungen erhoffen. Angesichts ohnehin hoher Strafen für Delikte wie Körperverletzung oder Totschlag kann einer zusätzlichen Freiheitsstrafe für das diskriminierende Element der Tat die normdurchsetzende Kraft fehlen. Darüber hinaus sind Täter von Hassverbrechen häufig Überzeugungstäter, die diskriminierenden Ideologien anhängen und international vernetzt sind. „Spektakuläre“ Hassverbrechen und die darauf folgende Berichterstattung – auch über Strafverfahren zur Aufklärung der Verbrechen – dienen als Inspiration und Motivation für andere Täter, auch über Ländergrenzen hinweg. Schuldspruch und Strafe erfüllen, so Frau Professor Eisenberg, nicht ihren Zweck (Abschreckung), sondern bewirken das Gegenteil: Ansporn. Am Beispiel des Falls Ahmoud Arbery – ein Schwarzer Mann, der in Georgia von drei weißen Männern getötet wurde – erläuterte Frau Professor Eisenberg schließlich, wie rassistische Strukturen in Polizei und Justiz die Verfolgung von Hasskriminalität weiter erschweren.

Angesichts der Schwierigkeiten bei der Verfolgung von Hasskriminalität auf klassischem Weg schlug Frau Professor Eisenberg „restorative justice“, also – je nach Modell – eine Auseinandersetzung zwischen Täter und Opfer eines Hassverbrechens, als Alternativmodell vor. Dieser Vorschlag gab auch den Anstoß zur anschließenden Diskussion: Sollten es gerade die – in der Regel gegen Minderheiten oder gesellschaftlich unterdrückte Gruppen begangenen – Hassverbrechen sein, für die man das stärkste Mittel des Staates, das Strafrecht, durch restorative justice – Alternativen ersetzt? Wie wird bei restorative justice die expressive Funktion des Schuldspruchs, die für die Befürworter von Hasskriminalitätsgesetzen so wichtig ist, gewährleistet – gerade auch über die eigenen Landesgrenzen hinaus? Der Vorschlag, sich vergleichend mit ähnlichen Ansätzen zur Aufarbeitung des Apartheid-Regimes in Südafrika auseinanderzusetzen, bereicherte die Veranstaltung um ein weiteres internationales Element.

Bericht von Laura Midey, Institut für ausländisches und internationales Strafrecht