Neben dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 und dessen Folgen beherrschte in den vergangenen Monaten insbesondere die geplante Verfassungsreform, die im Referendum vom 14. April 2017 schließlich mit knapper Mehrheit angenommen wurde, die öffentliche Berichterstattung über die Türkei. Gerade die aus juristischer Perspektive interessanten Aspekte dieser aktuellen Thematik wurden in den Medien jedoch vergleichsweise wenig erörtert.
Welche konkreten Änderungen wird es geben? Welche Auswirkungen hat die Reform auf die Gewaltenteilung und was unterscheidet das zukünftige türkische Präsidialsystem etwa vom us-amerikanischen oder französischen Modell?
Diese und ähnliche – zweifellos auch für viele anderen Juristen interessante – Fragen stellten sich die Studentinnen und Studenten des Deutsch-Türkischen Bachelorstudiengangs Rechtswissenschaften (LL.B. Köln/Istanbul Kemerburgaz) in besonderem Maße.
Auf deren Initiative und in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung veranstaltete daher der Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wissenschaftsrecht und Medienrecht von Professor Dr. Christian von Coelln die Vortrags- und Diskussionsveranstaltung „Das Referendum in der Türkei: Darstellung und Bewertung der Verfassungsänderung“, die am 12. Juli 2017 im Neuen Senatssaal der Universität zu Köln stattfand.
Als Referenten konnten erfreulicherweise zwei ausgewiesene Experten gewonnen werden:
Zunächst stellte Herr Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Rumpf (Stuttgart), Honorarprofessor für Türkisches Recht an der Universität Bamberg, den etwa 90 Anwesenden die rechtlichen Änderungen eingehend dar. Hierbei beschränkte er sich jedoch keineswegs auf die Erläuterung der Modifikationen am Verfassungstext, sondern zeigte sogleich zahlreiche, für das Verständnis äußerst hilfreiche und interessante Bezüge zur türkischen Verfassungsgeschichte sowie einigen Spezifika des politischen Systems der Türkei auf. Zweifellos konnten die Zuhörer insoweit nicht nur vom fundierten Wissen des Referenten, sondern auch von seinem reichhaltigen praktischen Erfahrungsschatz profitieren.
Die politischen, gesellschaftlichen und historischen Bezüge stellten sodann auch einen zentralen Aspekt des zweiten Vortrages dar. Für eine detaillierte und sehr anschaulich gestaltete Darstellung der Verzahnung von Verfassungstext und gelebter (Verfassungs-)Wirklichkeit konnte Herr Dr. Alphan Tuncer (Berlin) gewonnen werden, der das Thema des Abends aus politikwissenschaftlicher Sicht behandelte und dabei ebenfalls viele historische Bezüge aufzeigte, die einen wertvollen Beitrag zum Verständnis der aktuellen Vorgänge in der Türkei leisten konnten.
Den Fragen des interessierten Auditoriums stellten sich beide Referenten sodann in einer anschließenden Diskussion, die auch nach dem Abschluss des offiziellen Teils noch in vielen angeregten Gesprächen fortgeführt wurde.
Für die gelungene Veranstaltung gebührt besonderes Lob den Initiatoren aus dem Kreise der deutsch-türkischen Studierenden sowie herzlicher Dank der mitausrichtenden Heinrich-Böll-Stiftung, die die Organisation ebenso wie den anschließenden Umtrunk – der dankenswerter Weise überdies durch den Verein zur Förderung der Rechtswissenschaft unterstützt wurde – erst ermöglicht hat.