Die 2. Kölner Kartellrechtsgespräche am 26. Juni 2019 standen ganz im Zeichen der Innovation. Der Vormittag der Tagung wurde dem Innovationswettbewerb in der Fusionskontrolle gewidmet, während am Nachmittag die Neuerung des Kartellrechts selbst Thema wurde.
Die Tagung eröffnete Frau Panhans von der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission, und stellte ihre Sicht auf die Berücksichtigung von Innovationen in der Fusionskontrolle vor. Sie nahm Stellung zur Beurteilung der Auswirkungen von Fusionen auf Innovationstätigkeiten von Unternehmen und stellte die von der Kommission in der Entscheidung Dow/DuPont (Komm., Entsch. v. 27.3.2017, M.7932 – Dow/DuPont) neu entwickelten Schadenstheorien vor. Im Anschluss an die behördliche Darstellung stellte Dr. Fort von der Bayer AG die Sicht eines betroffenen Unternehmens dar. Fort skizzierte, mit welchen praktischen Herausforderungen, wie etwa dem erheblichen Umfang der Anforderung von Dokumenten oder der Identifizierung der entscheidenden Wettbewerber, ein Unternehmen bei der Anwendung der neuen Schadenstheorien konfrontiert wird. Prof. Dr. Götz von der Justus-Liebig-Universität Gießen bewertete den Einfluss von Fusionen auf Innovationstätigkeit aus ökonomischer Perspektive. Die zentrale Herausforderung sah er dabei in der angemessenen Berücksichtigung von Effizienzgewinnen. Zum Abschluss des ersten Themenblocks untersuchte Prof. Dr. Weiß von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer die von der Kommission entwickelten Schadenstheorien zum Innovationswettbewerb aus einer verfassungsrechtlichen Perspektive. Er vertrat die Position, dass eine stärkere Berücksichtigung von Innovationsvorgängen in der Fusionskontrolle aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich möglich sei. Mit ihr gingen aus Gründen der Rechtssicherheit aber entsprechend höhere Anforderungen an den Begründungsaufwand durch die Kommission bei der Auswahl und Auslegung der konkreten ökonomischen Theorie einher.
Am Nachmittag stellte Dr. Fülling vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die 10. GWB-Novelle („GWB-Digitalisierungsgesetz“) sowie die Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 vor. Er zeigte die zentralen Regelungsbereiche der Novelle auf, die neben der Digitalisierung in der Missbrauchsaufsicht, der Verfahrensbeschleunigung, der Fusionskontrolle sowie der Umsetzung der ECN+-Richtlinie lägen. Mit der Umsetzung der ECN+-Richtlinie (Richtlinie 2019/1 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2018) setzte sich Prof. Dr. Ost, Vizepräsident des Bundeskartellamts, im Anschluss detailliert auseinander. Durch sie solle die Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften EU-weit vereinheitlicht und gestärkt werden. In Deutschland sah Prof. Ost insbesondere hinsichtlich der Ermittlungsbefugnisse der Wettbewerbsbehörden Umsetzungsbedarf.
Im abschließenden Vortrag der Tagung wurde die Digitalisierung noch stärker in den Fokus gerückt, indem sich Herr Schwedler, WilmerHale, dem Schutz von Nutzerdaten durch die Missbrauchskontrolle widmete. Ausgangspunkt der Fragestellung war der Facebook-Beschluss des Bundeskartellamts (BKartA, Beschl. v. 6.2.2019, Az. B6-22/16 – Facebook), in dem die Verwendung von AGB, welche die Erhebung und Verwertung der Daten von Drittunternehmen erlauben, als missbräuchliche Ausnutzung der Marktmacht eingeordnet wurde. Schwedler bezweifelt die Zuständigkeit des Bundeskartellamts vor dem Hintergrund des „vollharmonisierenden Charakters“ des Datenschutzrechts. Für dessen Umsetzung seien allein unabhängige Datenschutzbehörden zuständig. Ferner kritisierte er auch den Umfang der von der Kommission verfügten Abhilfemaßnahmen.
Slides zu den Referaten sind auf der Webseite des Lehrstuhls abrufbar. Der Volltext der Referate wird in einem Tagungsband in der Reihe „Kartell- und Regulierungsrecht“ veröffentlicht.