Am 31. Mai 2022 fand die 35. Vortragsveranstaltung des GruPrax e.V. und des Instituts für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (IGRU) glücklicherweise wieder in Präsenz im Hauptgebäude der Universität statt.
Als Hauptredner der halbjährlich stattfindenden Vortragsreihe konnte zum 35. Jubiläum dieser Veranstaltung Herrn Jörn Feddersen, Richter des I. Zivilsenats am Bundesgerichtshof, gewonnen werden, der zum Thema „Wandel der Verkehrsauffassung und markenrechtliche Tatbestände“ vortrug.
Zuvor erhielt die Zuhörerschaft bereits einen aufschlussreichen Einblick in ein am Institut für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht angesiedeltes Dissertationsprojekt zum Thema „Verpflichtung zur Interoperabilität von Messengerdiensten“, welches von dem Doktoranden Patrik Kassel präsentiert wurde: Sollen und können Messengerdienste wie WhatsApp, Signal oder Threema dazu verpflichtet werden, Interoperabilität zwischen ihren Diensten zu gewährleisten, sodass eine Kommunikation von einem zum anderen Dienst ohne die zeitgleiche Installation zahlreicher Messenger-Apps möglich wird? Herr Kassel stellte in seinem Impulsvortrag anschaulich dar, wie Interoperabilität verstanden werden kann, welche Probleme in technischer und rechtlicher Hinsicht damit verbunden sind und welche normativen Rahmenbedingungen dabei zu beachten sind.
Hauptredner Herr Feddersen nahm anschließend den Faden auf und lenkte das Interesse der Zuhörerschaft auf eine markenrechtliche Problematik, die er informativ und unterhaltsam präsentierte: Wie wirkt es sich im Markenrecht aus, wenn sich die Verkehrsauffassung hinsichtlich bestimmter Zeichen oder Produkte im Laufe der Zeit ändert? Um dieser Frage nachzugehen, identifizierte er, an welchen Stellen in den Tatbeständen des Markengesetzes die Verkehrsanschauung die markenrechtliche Beurteilung maßgeblich prägt und verändern kann. Vor dem Hintergrund der kommunikativen Funktionen der Marke wurde deutlich, dass sowohl bei Fragen des Bestands als auch der Verletzung von Marken die Wahrnehmung des Zeichens und des dazugehörigen Produktes in den verschiedenen maßgeblichen Verkehrskreisen für den Markenschutz entscheidend sein kann. So knüpfen beispielsweise zahlreiche absolute Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 MarkenG an Aspekte der Verkehrsauffassung an, indem auf die Unterscheidungskraft, den allgemeinen Sprachgebrauch oder die ständigen Verkehrsgepflogenheiten abgestellt wird. Dabei zeigt der § 50 Abs. 2 MarkenG, dass es im Konfliktfall sowohl auf die Verkehrsanschauung im Zeitpunkt der Eintragung als auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommen kann. Ein zwischenzeitlicher Wandel der Verkehrsanschauung oder eine nunmehr erfolgte Verkehrsdurchsetzung kann dann über Bestand oder Löschung der Marke, also über Sieg oder Niederlage des Markeninhabers entscheiden. Ähnlich ausschlaggebend ist die Auffassung des Verkehrs in Hinblick auf die Beurteilung der Produktähnlichkeit im Rahmen der Verletzungstatbestände des § 14 MarkenG.
Im Anschluss an den Vortrag entwickelte sich eine lebhafte und interessante Diskussion, in der sowohl Fragen zu ganz praktischen Beispielen der Feststellung einer Verkehrsanschauung als auch zu den Einflüssen der unionsrechtlichen Rechtsprechung auf die Beurteilung markenrechtlicher Tatbestände zur Sprache kamen.
Gelegenheit, diese und andere Themen zu vertiefen und den Kontakt zwischen Vereinsmitgliedern und Studierenden und Promovierenden herzustellen, bot das anschließende Get Together, welches endlich wieder im direkten persönlichen Kontakt stattfinden konnte. Bei Buffet und Getränken entstanden spannende Gesprächsrunden und der Wiedereinstieg in die Präsenzveranstaltungen fand einen gelungenen Abschluss.
(Malte Pieper)