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15th International Students Seminar

Studierende der Universität zu Köln an der Kenyatta School of Law in Nairobi.

Tagungsbericht, 15th International Students Seminar (ISS) “Right to Vote and Electoral Law in Comparative Perspective”, Kenyatta School of Law, 04.-09.02.2019

Das „International Students Seminar“ ist inzwischen eine bewährte Einrichtung geworden. Seit 15 Jahren treffen sich einmal jährlich Studierende und Promovierende der Universität zu Köln sowie vorwiegend mittel- und osteuropäischer Universitäten, um über staats- und verfassungsrechtliche Themen zu diskutieren. Nachdem sich vor zwei Jahren auch die School of Law der Kenyatta Universität in Kenia dem Verbund angeschlossen hat, wurde das Seminar im vergangenen Jahr von dieser Fakultät ausgerichtet. Teilgenommen haben Studierende und Promovierende der Universität Vilnius (Litauen), der Universität zu Köln (Deutschland), der Universität Pécs (Ungarn), der Universität Łódź (Polen) und der Moskauer Staatlichen Lomonossov Universität (Russland).

Den Ausschlag für die Themenwahl gaben die Turbulenzen nach den Präsidentschaftswahlen 2017 in Polen, nachdem diese durch Urteil des Obersten Gerichts aufgrund von Unregelmäßigkeiten für ungültig erklärt worden waren und wiederholt werden mussten, was wiederrum zum teilweisen Boykott durch die Opposition führte. Mit viel Elan und Leidenschaft diskutierten die Teilnehmer*innen die Möglichkeiten, Wahlen rechtlich sinnvoll auszugestalten und damit der Demokratie zur Wirkung zu verhelfen. Rechtsvergleichung ist in diesem Bereich ein besonders sinnvolles Unterfangen, da es sich um anschauliche, lebensnahe Problemstellungen handelt.

Thematisch war das Seminar in vier Themenkomplexe unterteilt. Jeweils ein*e Referent*in der jeweiligen Fakultät trug zu jedem Themenkomplex vor; danach blieb Raum für Diskussion und Fragen. Der erste Themenkomplex behandelte die Grundlagen, die internationalen Standards und die verfassungsrechtlichen Prinzipien des Wahlrechts. Hier wurden rege Frauenquoten, Möglichkeiten der direkten Demokratie und der Rechtmäßigkeit politischer Werbung erörtert. Auch die internationale Ordnung wurde untersucht: Welche völkerrechtlichen Standards müssen eingehalten werden und wie funktionieren eigentlich die Wahlen zum Europäischen Parlament? Intensiv diskutiert wurden sowohl die Umsetzung der jeweiligen Verfassungsprinzipien in die Verfassungswirklichkeit als auch die Möglichkeiten ihrer Änderung. Im zweiten Themenkomplex untersuchten die Diskutanten, wie die Stimmen der Wähler/innen nach den unterschiedlichen Wahlrechtsnormen in Parlamentssitze umgewandelt werden. Die in Deutschland geführte, rechtlich komplexe Debatte um Überhangs- und Ausgleichsmandate wurde der russischen Problematik um die Modernisierung des Wahlrechtssystems gegenübergestellt. In vielen osteuropäischen Staaten spielen hier zudem die Wahlrechte von Minderheiten eine große Rolle. In Bosnien und Herzegowina wurden diesbezügliche Streitigkeiten bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte getragen. Auch in Kenia, wo die Repräsentation der Interessen der verschiedenen Ethnien von zentraler Bedeutung ist, beeinflusst die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie die Wahlentscheidung – ein Konflikt, der auch durch die Kolonialisierung Kenias entstanden ist. Gegenstand des dritten Teils war die Verwaltung des Wahlprozesses, wobei insbesondere der Ausschlusses Behinderter unter gesetzlicher Betreuung von Wahlen problematisiert wurde. Sehr vorausschauend war insofern der Beitrag der Kölner Referentin, die die geltenden deutschen Regelungen – wie auch später das BVerfG – für verfassungswidrig erachtete. Höchst aktuell ist auch die Einbeziehung moderner Technik in den Wahlprozess. Man war sich einig, dass hier das Vertrauen des Wählers in die Wahlen, die Kosten sowie die Wahlrechtsgrundsätze in die Abwägung einer Anwendung von technischen Mitteln einfließen müssen. Der vierte Teil war schließlich Wahlprüfungsbeschwerden gewidmet; erörtert wurde, wie diese möglichst sinnvoll ausgestaltet werden können. Der Kernpunkt der Debatte konzentrierte sich auf die gerichtliche Kontrolle von Wahlen und die Frage, inwieweit Fehler bei der Durchführung der Wahl sich auch auf das Wahlergebnis niedergeschlagen haben. Denn auch die Funktionalität des Parlaments und das Vertrauen in Wahlen muss geschützt werden.

Insgesamt wurde ein weites Feld an Wahlrechtsfragen angesprochen. Da sich viele gesellschaftliche Prozesse in den Wahlen widerspiegeln, wurden auch diese am Rande lebhaft erörtert. Dies galt für Frauen- und Minderheitenrechte ebenso wie für die Zweckmäßigkeit des Einsatzes technischer Mittel.

Das Seminar wurde durch eine öffentliche Podiumsdiskussion der begleitenden Dozent*innen aller Fakultäten, zu der auch Diplomat/innen, Parlamentarier/innen sowie weitere Jurist*innen gekommen waren, abgeschlossen. Abgerundet wurde das Seminar durch ein umfassendes Kulturprogramm. Die Teilnehmer*innen durften einer musikalischen Darbietung Studierender der Fakultät für Kunst und Musik der Kenyatta Universität lauschen und im Garten der Residenz des polnischen Botschafters flanieren. Zudem bestand die Möglichkeit, die Independent Electoral and Boundaries Commission, die kenianische Wahlrechtskommission, die als unabhängiges Verfassungsorgan für die Verwaltung der Wahlen zuständig ist, zu besuchen. Hier wurde allen Teilnehmer*innen des Seminars Rede und Antwort zu den vergangenen, turbulenten Wahlen gestanden.
Das Seminar hat für alle Teilnehmer*innen einen hohen Stellenwert in der Entwicklung als Jurist*in und künftige Wissenschaftler*in. Nicht nur inhaltlich, auch menschlich, konnten alle viele voneinander lernen. Man freut sich auf das 16. International Students Seminar in Vilnius!


Anna Börger

 

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