Was ist Rechtswissenschaft?
Recht im Alltag - wer kennt das nicht?
Ein Regal gekauft, im viel zu kleinen Auto nach Hause transportiert und in die vierte Etage getragen (selbstverständlich ohne Aufzug). Ausgepackt, Anleitung gelesen, aufgebaut… Die Schrauben fehlen! Am nächsten Tag zurück zum Möbelhaus.
Wieder zuhause… Geburtstagsgeschenk vergessen! Gut, dass es die Wunsch-CD im Internet zum Herunterladen gibt. Also gleich zweimal brennen: für das Geburtstagskind und für den Eigenbedarf.
Zwei ganz gewöhnliche Situationen, die aber trotz ihrer scheinbaren Alltäglichkeit schon durchsetzt sind mit juristischen Fragestellungen.
Fast jede Lebenssituation ist irgendwie von Gesetzen oder anderen Rechtsnormen geprägt, ohne dass wir das normalerweise merken. Erst wenn es zum Streit kommt (Muss ich die fehlenden Schrauben extra bezahlen? Umfasst die Erlaubnis, Musikdateien zu brennen, die Vervielfältigung für mehr als eine Person?) überlegt man sich, wie man entscheiden kann, wer „Recht“ hat. Dafür sind dann die Juristen zuständig.
Die Rechtswissenschaft
Die Rechtswissenschaft ist eine Geisteswissenschaft.1 Sie befasst sich mit gegenwärtigen und vergangenen Rechtsnormen sowie sonstigen Rechtsquellen.2 Als Textwissenschaft bedient sie sich der Methoden der Hermeneutik, deren Kern die Auslegungsregeln sind.3 Die Rechtswissenschaft gliedert sich in die Rechtsdogmatik, welche sich mit dem geltenden Recht beschäftigt, sowie die Grundlagenfächer wie beispielsweise die Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie und Rechtstheorie.4
1Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie (5. Auflage), Horn, Rn. 48.
2Rechtstheorie (7. Auflage), Rüthers/Fischer, Rn. 280.
3Einführung in die Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie (5. Auflage), Horn, Rn. 46.
4Allgemeine Rechtslehre (3. Auflage), Röhl/Röhl, S.2; Juristisches Wörterbuch (16. Auflage), Gerhard Köhler, S. 357.
Ziele des Studiums der Rechtswissenschaft (Abschluss erste Prüfung)
Wer in Deutschland einen der typisch juristischen Berufe in der Justiz (Richter/in, Staatsanwält/in), der Rechtsanwaltschaft oder der Verwaltung ergreifen möchte, muss eine gesetzlich in weiten Teilen vorgegebene Ausbildung absolvieren, die den sog. Volljuristen zum Ziel hat. Alle in den juristischen Kernberufen Tätigen sollen am Ende ihrer Ausbildung ein umfassendes Grundwissen im Zivil-, Straf- und Öffentlichen Recht sowie in den Grundlagen des Rechts (sog. Pflichtfachbereich) erworben haben und in der Lage sein, das Recht mit Verständnis zu erfassen und in sozialer Verantwortung anzuwenden.
Das Studium der Rechtswissenschaft mit Abschluss erste Prüfung ist die erste Phase der Ausbildung. Es vermittelt die Kenntnisse, die erforderlich sind, um den juristischen Vorbereitungsdienst (die zweite Phase der Ausbildung) und die zweite juristische Staatsprüfung erfolgreich abzulegen und die „Befähigung zum Richteramt“ zu erwerben. Erst diese eröffnet in Deutschland den Zugang zu den juristischen Kernberufen in Richter-, Staats- und Rechtsanwaltschaft sowie im Verwaltungsdienst der Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt.
Dem gesetzlichen Leitbild folgend ist daher ein wichtiger Bestandteil des Studiums die Einführung in die philosophischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen unseres heutigen Rechtssystems. Das Studium soll aber darüber hinaus und vor allem die Fähigkeit vermitteln, mit den vielen Gesetzen, Verordnungen und anderen Rechtsnormen vernünftig umzugehen. Wer diese Fähigkeit besitzt, kann nicht nur in den klassischen juristischen Berufen erfolgreich sein, sondern ist auch für alle juristischen Tätigkeiten in der privaten Wirtschaft, in Verbänden und in der Politik gewappnet.
Studienalltag
Studierende der Rechtswissenschaft erwarten im Wesentlichen folgende Lehrveranstaltungen und Prüfungen:
Vorlesungen
In Vorlesungen werden die einzelnen Rechtsgebiete systematisch dargestellt und anhand von praktischen Fällen erläutert. Die meisten Vorlesungen im Pflichtfachbereich richten sich an alle Studierenden des betreffenden Semesters und finden dementsprechend für viele Hörerinnen und Hörer statt. Sie werden in der Regel von Professorinnen und Professoren, die auf diesem Gebiet besondere Fachleute sind, gehalten. Vorlesungen münden in der Regel in eine Klausur am Ende des Semesters, in der Studierende häufig einen Fall im Gutachtenstil bearbeiten müssen.
Arbeitsgemeinschaften
Einige Vorlesungen des Grundstudiums begleiten (überwiegend in den ersten Semestern) sog. Arbeitsgemeinschaften. In diesen werden die Anwendung des erworbenen theoretischen Wissens auf konkrete Fälle und ganz besonders der juristische „Gutachtenstil“ in kleineren Gruppen eingeübt. Die Arbeitsgemeinschaften werden von Tutorinnen und Tutoren geleitet, die mindestens die erste juristische Prüfung erfolgreich abgelegt haben. In der Regel sind das Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Institute und Lehrstühle unserer Fakultät, einige wenige sind aber auch „Externe“.
Seminare
Von den Professorinnen und Professoren selbst geleitet werden Seminare. Das sind Lehrveranstaltungen mit einer begrenzten Teilnehmerzahl, in denen Studierende in das selbstständige wissenschaftliche Arbeiten eingeführt werden. Sie setzen in der Regel schon solide juristische Grundkenntnisse voraus, so dass man sie grundsätzlich erst ab dem dritten Semester besucht.
Üblicherweise werden zunächst schriftliche Arbeiten zu dem gewählten oder zugeteilten Thema eingereicht, später werden in den Seminarsitzungen Referate gehalten und die gefundenen Ergebnisse diskutiert . Eine spezielle Form der Seminare sind die zugangsbeschränkten Schwerpunktseminare, die zur ersten juristischen Prüfung gehören und die für die Abschlussnote relevant sind. Seminare sind wichtig, um eine inhaltliche und auch formale Qualifikation für eine später vielleicht ins Auge gefasste Promotion zu erwerben. Sie bieten eine hervorragende Möglichkeit, sich auch einmal im mündlichen Ausdruck zu üben.
Hausarbeiten
Von konkreten Lehrveranstaltungen losgelöst sind die Hausarbeiten im Zivil-, Straf- oder Öffentlichen Recht. Sie werden grundsätzlich in der vorlesungsfreien Zeit angeboten und erfordern überwiegend die schriftliche Bearbeitung eines Falles. Der Unterschied zu Klausuren besteht vor allem darin, dass man das Gutachten über mehrere Wochen unter Berücksichtigung von Rechts- und Literaturquellen erstellt.
Fachspezifische Sprachkurse
In fremdsprachigen Veranstaltungen und fachspezifischen Sprachkursen haben Studierende nicht nur die Möglichkeit, sich die juristische Fachterminologie in einer anderen Sprache anzueignen und damit den geforderten Erwerb ein Fremdsprachenkompetenz nachzuweisen. Die Kurse bieten Studierenden vielmehr die Chance, sich für die immer stärker auf internationale Zusammenarbeit ausgerichteten Erfordernisse der Praxis zu qualifizieren.
Schlüsselqualifikationsveranstaltungen ("Soft Skills")
Ähnliches gilt auch für Veranstaltungen, in denen „Schlüsselqualifikationen“ – Verhandlungsmanagement, Rhetorik, Mediation und vieles andere – vermittelt werden. Viele davon sind für Studierende ab dem ersten Semester nützlich und interessant.
Moot Courts (optional)
Erwähnt seien auch Moot Courts. Dabei handelt es sich um simulierte Gerichtsverhandlungen, die oft auf Englisch gehalten werden und auf die sich Teams verschiedener Universitäten in monatelanger Arbeit vorbereiten, um dann in einen Wettstreit zu treten.
Selbststudium
Den in den zuvor genannten Veranstaltungen vermittelten und in den Prüfungen abgefragten Stoff kann man nur erfolgreich verinnerlichen, wenn man ihn eigenständig vor- und nachbereitet und regelmäßig wiederholt und vertieft. Daher ist für Jura-Studierende das Selbststudium unabdingbar und ein wesentlicher, nicht zu unterschätzender Teil ihres Alltags. Die Auseinandersetzung mit juristischer Literatur dürfte hierbei der gemeinsame Nenner und die Basis aller sonst möglichen Lernmodelle sein.
Aufbau des Studiums in Köln
Das Studium der Rechtswissenschaft mit Abschluss erste Prüfung ist als Vollzeitstudium konzipiert, für das eine Regelstudienzeit von 10 Semestern vorgesehen ist. Der Durchschnitt benötigt jedoch etwas länger. Beginnen kann man es in Köln zum Winter- und zum Sommersemester. Die Unterrichtssprache ist mit wenigen Ausnahmen Deutsch.
Gegliedert ist das Studium in das Grundstudium und das Hauptstudium.
Das Grundstudium führt in die Pflichtfächer Zivilrecht, Verfassungs- und Verwaltungsrecht sowie Strafrecht ein, wobei auch die internationalen, wirtschaftlichen und politischen Bezüge sowie die historischen und methodischen Grundlagen des Rechts berücksichtigt werden. Im Grundstudium besuchen Sie vor allem Vorlesungen aus der gesamten Bandbreite der juristischen Teilfächer. Daneben sind die Arbeitsgemeinschaften und Seminare wichtige Lehrveranstaltungen, um den Stoff zu erfassen, die Arbeitstechniken zu erlernen und sich in das wissenschaftliche Arbeiten einzufinden. Die Reihenfolge, in der die Vorlesungen besucht werden sollten, ergibt sich aus dem Aufbau und inneren Zusammenhang der Rechtsgebiete, insbesondere der zu behandelnden Gesetze. Entsprechend gestaltet sind sowohl die Studien- und Prüfungsordnung (StudPrO) als auch der empfohlene Studienplan in Köln. Studienbegleitend wird eine Mindestzahl an Klausuren, Hausarbeiten und Seminararbeiten gefordert, die gemeinsam die sog. Zwischenprüfung ergeben.
Das Hauptstudium dient zum einen der Ergänzung und Vertiefung des im Grundstudium kennengelernten Stoffes sowie insbesondere der Vorbereitung auf die staatliche Prüfung in den genannten Pflichtfächern. Hierfür bietet die Fakultät spezielle Veranstaltungen an: Zunächst Übungen mit der Möglichkeit, die schriftliche Anfertigung von Falllösungen auf gehobenem Niveau zu trainieren, anschließend den Großen Examens- und Klausurenkurs. Auch hier werden studienbegleitend Klausuren und Hausarbeiten absolviert.
Zum anderen ist das Schwerpunktstudium Teil dieses Studienabschnittes. Studierende wählen im Hauptstudium aus 16 angebotenen Schwerpunktbereichen einen aus, mit dem sie sich wissenschaftlich vertieft auseinandersetzen möchten (z. B. „Öffentliches Recht“ oder „Geistiges Eigentum und Wettbewerb“). Im Rahmen des Schwerpunktstudiums legen sie die Schwerpunktbereichsprüfung ab. Sie besteht in Köln aus einem Seminar und wenigstens drei Klausuren. Dieser universitäre Teil der ersten Prüfung geht mit 30 % in die Gesamtnote ein.
In der vorlesungsfreien Zeit absolvieren die Studierenden möglichst im Grundstudium zwei sechswöchige Praktika, eines in der Rechtspflege (z. B. in einer Kanzlei) und eines in der Verwaltung. Um der zunehmenden Internationalisierung des Rechts gerecht zu werden, wird außerdem der Besuch einer fremdsprachigen Lehrveranstaltung gefordert. Alternativ kann man auch für ein bis zwei Semester an einer Partneruniversität studieren. In praxisorientierten Veranstaltungen erwerben die Studierenden sog. Schlüsselqualifikationen, wie z. B. juristische Rhetorik, die für den Arbeitsalltag eines Juristen besonders wertvoll sind.
Schließlich legen die Studierenden die staatliche Pflichtfachprüfung vor den Justizprüfungsämtern bei den Oberlandesgerichten ab. Zusammen mit der universitären Prüfung bildet sie die Abschlussprüfung ("erste Prüfung", § 2 JAG NRW). Es wird ein einheitliches Zeugnis erteilt, das die Ergebnisse der Schwerpunktbereichsprüfung und der Pflichtfachprüfung sowie die Gesamtnote der ersten Prüfung enthält.
Was sollte ich für das Studium mitbringen?
Für ein erfolgreiches Studium der Rechtswissenschaft ist der sichere Umgang mit der deutschen Sprache in Wort und Schrift unabdingbar. Wichtig ist auch die Fähigkeit zu logischem und abstraktem Denken. Hilfreich sind zudem soziale Kompetenz und gesellschaftspolitisches Interesse.
Angehende Juristinnen und Juristen sollten zudem über Leistungsbereitschaft, Selbstdisziplin und Zielstrebigkeit verfügen - und sie sollten gerne lesen! Nicht zu unterschätzen ist nämlich die Bedeutung des eigenständig zu gestaltenden Selbststudiums für den Lernerfolg.
Besonderheiten der binationalen Studiengänge der Fakultät
Die Fakultät bietet neben dem klassischen rechtswissenschaftlichen Studiengang vier binationale Bachelorstudiengänge (deutsch-französische, deutsch-englische, deutsch-türkische und deutsch-italienische Rechtswissenschaft) an, die Besonderheiten aufweisen:
Diese Programme haben zunächst gemeinsam, dass sie zu Doppelabschlüssen in jeweils zwei Rechtsordnungen führen. Man erlangt nicht nur einen deutschen Bachelorabschluss, sondern im Erfolgsfall auch den Abschluss, den Studierende im jeweiligen Partnerland nach einem juristischen Studium erwerben. Man qualifiziert sich also in zwei Staaten. Dafür verbringen sie in allen binationalen Programmen mindestens zwei Jahre an der jeweiligen Partneruniversität im Ausland.
Wer möchte, kann zusätzlich die erste Prüfung ("Staatsexamen") in Köln ablegen. Die Studiengänge sind so konzipiert ist, dass das (mit einer geringen Verlängerung der Studienzeit) durchaus möglich ist.
Masterstudiengänge der Fakultät
Die Fakultät bietet neben den grundständigen Studiengängen acht rechtswissenschaftliche, z. T. binationale Masterstudiengänge (European Legal Perspectives, Recht der Digitalisierung, Wirtschaftsrecht, Unternehmensteuerrecht, deutsch-französisches, deutsch-italienisches oder deutsch-türkisches (Wirtschafts-)Recht und Master für im Ausland graduierte JuristInnen) an. Diese Studiengänge haben grundsätzlich eine andere Funktion als die grundständigen rechtswissenschaftlichen Studiengänge. Sie führen nicht mehr in das Recht ein, sondern dienen der Spezialisierung in bestimmten Bereichen, so dass sie in der Regel mindestens die erste Prüfung oder einen vergleichbaren Abschluss voraussetzen. Eine Ausnahme bildet der Master für im Ausland graduierte JuristInnen, für den ein ausländischer juristischer Abschluss gefordert wird und der Grundkenntnisse im deutschen Recht vermitteln soll.
Masterstudiengänge erhöhen regelmäßig aufgrund der erworbenen Kenntnisse in Spezialbereichen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt.