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Sixth Hans Kelsen Memorial Lecture verpasst?

 

Am 18.11.2021 richtete das Institute for International Peace and Security Law unter der Leitung seines Direktors Professor Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Claus Kreß LL.M (Cambridge) die sechste Hans Kelsen Memorial Lecture on International Peace and Security Law aus.

Dr. Ronen Steinke, Rechtsredakteur der Süddeutschen Zeitung und unter anderem Autor des Buches „Fritz Bauer: oder Auschwitz vor Gericht“, hielt den diesjährigen Festvortrag mit dem Titel „A Means to an End: How Fritz Bauer used the Courtroom for a Reckoning with the German Past.“ Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Veranstaltung „hybrid“ abgehalten: Innerhalb des Saales galt die 2G+-Regel, zeitgleich wurde das Event per Livestream übertragen.

Dr. Steinke begann seinen Vortrag mit der Schilderung eines Prozesstages des Auschwitzprozesses an einem Novembertag 1964 aus Sicht des Journalisten Horst Krüger. Es folgte eine Reise durch das Leben und Wirken von Fritz Bauer, der zu einem der bedeutendsten Wegbereiter für den Frankfurter Auschwitzprozess werden sollte. Nach dem Strafrechtsverständnis von Fritz Bauer, der sich der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen verschrieben hatte, durfte Strafe allein präventive Zwecke verfolgen und somit zukunftsorientiert sein. So zitierte Dr. Steinke Bauers Frage, ob es tatsächlich einen Unterschied mache, ob 40 Mann mehr in die Strafanstalten kämen, oder nicht? Doch was, wenn nicht Vergeltung sollte dann das Ziel dieses Prozesses sein, dessen Angeklagten zumindest scheinbar keine Bedrohung mehr für die Gesellschaft darstellten und die sich geradezu unheimlich konform in die Nachkriegsgesellschaft einfügten, wie sie sich auch im nationalsozialistischen Regime konform verhalten hatten?

Dr. Steinke gelang es eindrucksvoll, Bauers Strafrechtsverständnis mit seiner staatsanwaltlichen Praxis abzugleichen. Anders, als selbst Bewunderer und Schüler von Fritz Bauer zur Zeit der Auschwitzer Prozesse kritisierten, zeigte Dr. Steinke auf, dass zwischen der Theorie und der Praxis von Fritz Bauer nicht notwendigerweise ein Widerspruch gesehen werden müsse. So verfolgte Bauer im Auschwitzprozess den Gedanken der Prävention: Allerdings nicht zur Verhinderung der Begehung weiterer Verbrechen der 22 Angeklagten in Frankfurt, sondern gegenüber dem Publikum des Prozesses – der deutschen Bevölkerung, die sich durch die Prozesse zum ersten Mal ein Bild von dem Ausmaß des Grauens in Auschwitz verschaffen konnte. Dr. Steinke zeigte eindrucksvoll auf, dass Bauers Umsetzung seiner Theorie in die Praxis damit jedoch zugleich eine harte Konsequenz nach sich zog. So sah Bauer die in Frankfurt 22 Angeklagten der Auschwitzer Prozesse letztlich, und er selbst gab dies so zu, mindestens auch als „Sündenböcke“, die es bräuchte, um der Gesellschaft eine Lehre zu vermitteln und damit mindestens auch als Mittel zum Zweck – „A means to an end“.

Weitere Informationen zu den Hans Kelsen Memorial Lectures on International Peace and Security Law finden Sie unter https://iipsl.jura.uni-koeln.de/veranstaltungen/kelsen-memorial-lectures.